Derzeit plant das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, bis Ende 2027 in Westend eine neue Unterkunft für bis zu 950 geflüchtete Menschen in der Soorstraße 80-82.
Als Westender Verein, der seit Jahren mit Geflüchteten arbeitet und das interkulturelle Stadtteilzentrum Ulme35 aufgebaut hat, nehmen wir dazu wie folgt Stellung:
Derzeit leben von den 41.000 durch das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten in Berlin untergebrachten Menschen 8600 in Notunterkünften. Auf dem Flughafengelände Tegel leben 4600 Menschen in einer Zeltstadt, die Verhältnisse dort oder auch im Hangar in Tempelhof sind für längere Aufenthalte unzumutbar und machen Integration unmöglich. Der Presse entnehmen wir, dass weitere von der Stadtgesellschaft isolierte Unterkünfte in Tegel Nord geplant werden und Tegel als Notunterkunft weiter ausgebaut werden soll.
Als Stadtgesellschaft tragen wir alle die Verantwortung dafür, dass Menschen menschenwürdig untergebracht werden.
Die Bemühungen des LAF und des Sonderbeauftragten des Senats, eine ausreichend große Zahl von Menschen in kleinen Unterkünften dezentral unterzubringen, sind gescheitert. Offenbar sehen die Verantwortlichen in Senat und LAF keine andere Lösung mehr, als große Unterkünfte zu schaffen. Dies bringt für die betroffenen Menschen und die Sozialräume außergewöhnliche Herausforderungen mit sich, die mitgedacht und verbindlich angegangen werden müssen.
Wir sind der Ansicht, dass die Unterbringung von jetzt 950 (vorherige Planung: 1500 Menschen) in der Soorstraße das kleinere Übel ist, wenn
- die Unterkünfte so ausgestaltet sind, dass Menschen dort längerfristig leben können.
- die notwendige Stärkung der Infrastruktur des aufnehmenden Sozialraumes (Begegnungsräume mit der Nachbarschaft, Räume für Schule, Kita, medizinische und soziale Versorgung…) in oder in der Nähe des Gebäudes mitgeplant werden.
- die Infrastruktur des Sozialraums auch außerhalb der Unterkünfte gestärkt wird (Sportflächen, Spielplätze und mehr).
- die Nachbarschaft bei den Planungen mitgenommen und eingebunden wird.
Aus diesem Grund haben wir am 11.11.2024 gemeinsam mit dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf und dem Siedlerverein Eichkamp eine Akteurskonferenz durchgeführt, in der über 100 Vertreter von Westender Schulen, KiTas, sozialen Trägern, Vereinen, Verwaltungen und weiteren Akteur:innen sich in 6 Arbeitsgruppen mit den Auswirkungen der Pläne des LAF auf Westend befasst haben. Es wurden Bedarfe ermittelt und Lösungsvorschläge skizziert, die jetzt in Arbeitsgruppen mit dem Bezirk, LAF und Senat gemeinsam weiterverfolgt werden. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Akteurskonferenz ist hier veröffentlicht.
Im Bezirk, dem LAF und den Senatsverwaltungen müssen parallel zu den Unterbringungsplanungen die notwendigen Schritte verbindlich eingeleitet werden, um eine positive und nachhaltige Entwicklung im Stadtteil zu ermöglichen.
In einer Anwohnerversammlung muss in den kommenden Monaten dargestellt werden, wie der Bezirk, der Senat und auch die Zivilgesellschaft diesen Anforderungen gerecht werden. Derzeit verbreiten Gegner der Unterkünfte viele falsche Zahlen und Informationen und schüren Ängste in der Bevölkerung, ohne alternative Lösungen aufzuzeigen. Kiezferne Unterbringungen führen zwangsläufig zu isolierten Gruppen, in denen Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit wachsen. Tegel ist die derzeit teuerste Unterbringungsform. Aus unserer eigenen täglichen Arbeit in der Ulme35 können wir nicht feststellen, dass es ein Anwachsen von Kriminalität in unserem Umfeld gibt. Direkte persönliche Begegnungsformen zwischen der Stadtgesellschaft und Geflüchteten bewähren sich nachhaltig.
Es ist unsere Verantwortung als Berliner:innen, dafür zu sorgen, dass niemand in unserer Stadt dauerhaft in einem Zelt leben muss – wir sind alle gefragt, auch wir in Westend.
Unsere Forderungen:
- Parallel zur Genehmigung des Mietvertrages verbindliche Zusage des Senats, neben der Schaffung von Unterbringungsplätzen in Zusammenarbeit mit dem Bezirk die Infrastruktur vor Ort auszubauen und dafür Sorge zu tragen, dass Schul- und KiTa-Plätze, Spielplätze und weiteres in ausreichender Anzahl vorhanden sind.
- Sofortige Einsetzung einer Arbeitsgruppe der zuständigen Senatsverwaltungen mit dem Bezirk und zivilgesellschaftlichen Akteuren vor Ort, um den notwendigen Ausbau der Infrastruktur verbindlich zu planen und Bereitstellung finanzieller Mittel dafür.
- In der Unterkunft selbst müssen Räume für Begegnung und soziale Belange der Bewohnenden und der Nachbarschaft entstehen, die außerhalb des Sicherheitsbereichs der Unterkunft liegen.
- Ohne begleitende verbindliche Maßnahmen wird die gewünschte Integration in einer so großen Unterkunft nicht gelingen.
Für den Vorstand der Interkulturanstalten Westend e.V.
Hardy Schmitz
Interkulturanstalten Westend e.V.
Ulmenallee 35
14050 Berlin
Hardy.Schmitz@interkulturanstalten.de
Weiterführende Informationen:
Informationen des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf: FAQ: Häufig gestellte Fragen zu den geplanten Unterkünften für Geflüchtete in Westend – Berlin.de
Ergebnisse der Akteurskonferenz Westend am 11.11.2024