Derzeit plant das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, bis Ende 2027 in Westend neue Unterkünfte für bis zu 3000 geflüchtete Menschen zu errichten. An zwei Standorten sollen Großunterkünfte entstehen: In der Soorstraße soll eine Büroimmobilie für die Unterbringung von bis zu 1500 Geflüchteten angemietet werden, in der Cordesstraße sollen auf dem Gelände des Güterbahnhofes Container für 1000 Menschen entstehen.
Als Westender Verein, der seit Jahren mit Geflüchteten arbeitet und das interkulturelle Stadtteilzentrum Ulme35 aufgebaut hat, nehmen wir dazu wie folgt Stellung:
Derzeit leben von den 41.000 durch das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten untergebrachten Menschen 8.600 in Notunterkünften. Auf dem Flughafengelände Tegel leben 4600 Menschen in einer Zeltstadt, die Verhältnisse dort oder auch im Hangar in Tempelhof sind für längere Aufenthalte unzumutbar und machen Integration unmöglich.
Über 60 % aller vom LAF untergebrachten Menschen leben seit vielen Jahren in den Unterkünften, viele arbeiten, eigentlich könnten sie längst in Wohnungen ziehen, die sie jedoch nicht finden.
Es müssten Wohnungen gebaut werden, keine Unterkünfte.
8600 Menschen in prekären Notunterkünften unterzubringen, ist die schlechteste aller Lösungen. Erst recht ist es nicht akzeptabel, wenn die Zahl der Menschen, die dort leben müssen, weiter ansteigt. Diese Form der Unterbringung macht es unmöglich, Deutsch zu lernen, sich in Berlin einzuleben, fördert psychische und Suchterkrankungen, ist heute bereits teuer und wird langfristig viele Probleme nach sich ziehen.
Als Stadtgesellschaft tragen wir alle die Verantwortung dafür, dass Menschen menschenwürdig untergebracht werden.
Die Bemühungen des LAF und des Sonderbeauftragten des Senats, eine ausreichend große Zahl von Menschen in kleinen Unterkünften dezentral unterzubringen, sind gescheitert. Offenbar sehen die Verantwortlichen in Senat und LAF keine andere Lösung mehr, als große Unterkünfte mit 1000–1500 Menschen zu schaffen. Dies bringt für die betroffenen Menschen und die Sozialräume außergewöhnliche Herausforderungen mit sich, die mitgedacht und verbindlich angegangen werden müssen.
Wir sind der Ansicht, dass die Unterbringung von je ca. 1000 Menschen in der Soorstraße und der Cordesstraße das kleinere Übel ist, wenn
- die Unterkünfte so ausgestaltet sind, dass Menschen dort längerfristig leben können.
- in der Cordesstraße Lärmschutz, sichere Zuwegung, Schadstoffbelastung und viele weitere Probleme gelöst sind, die der abgelegene Standort mit sich bringt.
- die notwendige Stärkung der Infrastruktur des aufnehmenden Sozialraumes (Begegnungsräume mit der Nachbarschaft, Räume für Schule, Kita, medizinische und soziale Versorgung…) in oder in der Nähe des Gebäudes mitgeplant werden.
- die Infrastruktur des Sozialraums auch außerhalb der Unterkünfte gestärkt wird (Sportflächen, Spielplätze und mehr).
- die Nachbarschaft bei den Planungen mitgenommen und eingebunden wird.
Aus diesem Grund haben wir am 11.11.2024 gemeinsam mit dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf und dem Siedlerverein Eichkamp eine Akteurskonferenz durchgeführt, in der über 100 Vertreter von Westender Schulen, KiTas, sozialen Trägern, Vereinen, Verwaltungen… sich in 6 Arbeitsgruppen mit den Auswirkungen der Pläne des LAF auf Westend befasst haben. Es wurden Bedarfe ermittelt und Lösungsvorschläge skizziert, die jetzt in Arbeitsgruppen mit dem Bezirk, LAF und Senat gemeinsam weiterverfolgt werden. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Akteurskonferenz ist hier veröffentlicht.
Im Bezirk, dem LAF und den Senatsverwaltungen müssen parallel zu den Unterbringungsplanungen die notwendigen Schritte verbindlich eingeleitet werden, um eine positive und nachhaltige Entwicklung im Stadtteil zu ermöglichen.
In einer Anwohnerversammlung muss im neuen Jahr dargestellt werden, wie der Bezirk, der Senat und auch die Zivilgesellschaft diesen Anforderungen gerecht werden.
Derzeit verbreiten Gegner der Unterkünfte viele falsche Zahlen und Informationen und schüren Ängste in der Bevölkerung, ohne alternative Lösungen aufzuzeigen.
Es ist unsere Verantwortung als Berliner:innen dafür zu sorgen, dass niemand in unserer Stadt dauerhaft in einem Zelt leben muss – Wir sind alle gefragt, auch wir in Westend.
Weiterführende Informationen:
Informationen des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf: FAQ: Häufig gestellte Fragen zu den geplanten Unterkünften für Geflüchtete in Westend – Berlin.de
Ergebnisse der Akteurskonferenz Westend am 11.11.2024